Zur Miturheberschaft an Kunstwerken

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In der Entscheidung 4Ob 64/17s hatte der OGH über die Frage einer Miturheberschaft nach § 11 Urheberrechtsgesetz an einem Kunstwerk zu entscheiden. (Eine Abbildung des Kunstwerks finden Sie hier.) Geklärt werden mußte die im Grunde schlichte Sachfrage, ob ein bestimmtes Werk gemeinsam geschaffen wurde oder nicht, denn: die bloße Verbindung zweier voneinander unabhängiger Werke erzeugt keine Miturheberschaft.

Im gegenständlichen Fall hatte der klagende Künstler eine Skulptur aus Maschendraht und Kabelbindern geschaffen. Der beklagte Künstler schuf Skulpturen in Form von stehenden oder hockenden Figuren, die den Eindruck eines in einer Art Mönchskutte gekleideten Mannes erwecken („Kantenhocker“). Beide Künstler waren und sind für ihre jeweiligen Werke überregional bekannt.

Die beiden Künstler lernten sich kennen und entspannen die Idee, einer Drahtskulptur des ersten eine Figur des zweiten Künstlers aufzusetzen, wobei der „Drahtkünstler“ keine Vorgaben des anderen bei der Schaffung seines Werkteiles beachten mußte. Das Gemeinschaftskunstwerk wurde ausgestellt und zum Verkauf angeboten. Anläßlich eines Verkaufes stritt man über die Aufteilung des Verkaufserlöses; im Zuge des Streites entfernte der „Drahtkünstler“ den Hinweis von seiner Webseite, daß es sich um ein Gemeinschaftskunstwerk handle und stellte es als seine alleinige Schöpfung dar. Der zweite Künstler klagte daraufhin auf Feststellung, daß er Miturheber des so entstandenen Werkes sei. Das Klagebegehren wurde abgewiesen.

Das Erstgericht hatte zunächst die Miturheberschaft an einem gemeinsam geschaffenen Kunstwerk erkannt und ausgesprochen, daß der Schöpfer der hockenden Figur  einen entscheidenden Teil zum Gemeinschaftskunstwerk beigetragen habe. Das Berufungsgericht bestätigte diese Ansicht, jedoch nicht der OGH.

Der OGH sprach den Wortlaut des Gesetzes an: Nach § 11 Abs 1 UrhG steht das Urheberrecht allen Miturhebern gemeinschaftlich zu, wenn das Ergebnis ihres gemeinsamen Schaffens eine untrennbare Einheit bildet, was natürlich eine bewußte Zusammenarbeit zum Zweck der Werkherstellung voraussetzt. Außerdem muß jeder der Beiträge zum gemeinsamen Werk eine eigentümliche geistige Schöpfung darstellen. Der Umfang oder die Bedeutung des einzelnen Beitrags bzw. Anteils ist unerheblich; auch ein geringfügiger Beitrag kann eine Miturheberschaft begründen. Bloße Ideen sind allerdings nicht schutzfähig und begründen auch keine Miturheberschaft; somit auch nicht die bloße Anregung, ein gemeinsames Werk zu schaffen.

Eine untrennbare Einheit als Ergebniss gemeinsamen Schaffens liegt nicht vor, wenn sich das Werk in einzelne selbständige Teile zerlegen lässt, was im Anlaßfall („Kantenhocker“ auf einer Drahtskulptur) aber nicht gegeben war, auch wenn sich die Künstler zur Schaffung eines gemeinsamen Werkes bewußt zusammengetan hatten. Untrennbarkeit läge vor, wenn eine Trennung der Werkteile eine unverhältnismäßige Wertzerstörung der einzelnen Teile bewirkte, was aber nicht zutraf, da die Werkteile objektiv gesehen auch getrennt ohne Verluste verwertbar waren. An den selbstständig verwertbaren Werken entsteht vielmehr Teilurheberschaft.

Die Verbindung von an sich selbstständigen Werken begründet keine Miturheberschaft; auch dann nicht, wenn separate Werke in der Absicht geschaffen werden, um sie später zu verbinden. So entsteht etwa durch Vertonung eines selbständig bestehenden Gedichts keine Miturheberschaft. Auch umgekehrt entsteht durch Textierung einer bestehenden Musik kein gemeinsames Werk, sondern nur, wenn sich Dichter und Komponist zusammenschließen, um gemeinsam ein Lied zu schaffen.

Interessant an der Sache ist ein Nebensatz zur Frage des künstlerischen Stils, mit dem erneut bestätigt wird, daß ein Stil nicht schutzfähig ist (siehe auch die Rechtssätze RS0076695 und RS0076734), sondern nur das jeweilige Werk, in dem sich der Stil manifestiert.

Stand: Juni 2018
MS