Urheberrechtliche Probleme gibt es nicht nur in der Welt der internationalen Medien und im großen Musikbusiness, sondern manchmal auch auf regionaler Ebene. Ein sehr ambitioniertes Projekt eines Blasorchesters, ein ganzes Musical mit Chor und Solisten aufzuführen, mußte trotz langer Vorarbeit kurzfristig abgesagt werden (siehe hier: Jauntaler Trachtenkapelle mit Aufführungsverbot belegt).
Der Veranstalter wird wie folgt zitiert: „…daher haben wir uns bei der Austro Mechana im Vorfeld informiert. Wir bekamen die Auskunft, dass wir Les Miserables als Konzert aufführen dürften“. Die Auskunft, die der Veranstalter hier bekommen hat, war vielleicht an sich nicht falsch, beruhte aber sicherlich auf falschen Prämissen. Richtig ist, daß eine konzertante Aufführung von musikalischen Werken, wie etwa von Auszügen aus einem Musical, als „kleines Recht“ von der AKM wahrgenommen wird. (Von der AKM, wohlgemerkt, und nicht von deren Tochtergesellschaft Austro Mechana.) Hingegen können bühnenmäßige Aufführungen eines kompletten Musicals nur vom jeweiligen Rechtsinhaber (Verlag oder Autor) genehmigt werden.
Das zweite Problem ist in unserem Fall, daß eine Bearbeitung vorlag (das Musical wurde ja offensichtlich für Bläserbesetzung arrangiert). Zwar sind Bearbeitungen zulässig, aber die Verwertung dieser Bearbeitung ist genehmigungspflichtig und daher mit dem Rechtsinhaber abzuklären – und zwar am besten, bevor man mit der Bearbeitung beginnt. Wird nämlich die Verwertung der Bearbeitung untersagt, ist der ganze Aufwand der Bearbeitung vergeblich gewesen (hier „umsonst“ zu schreiben, könnte mißverständlich sein).
Kommt es ohne die notwendigen Genehmigungen zu Aufführung, gibt es für den Urheber (Komponist, Textautor) oder dessen Verlag zwei Möglichkeiten:
Erstens – wenn die Aufführung (so wie hier) noch nicht stattgefunden hat – kann die Aufführung untersagt werden; dies kann auch sehr rasch gerichtlich durchgesetzt werden.
Zweitens, wenn bereits Aufführungen stattgefunden haben, hat der Rechtsinhaber nicht nur Anspruch auf angemessenes Entgelt, sondern auch auf Schadenersatz und Herausgabe des Gewinnes; darüberhinaus kann der Rechteinhaber sogar das Doppelte des angemessenen Entgelts verlangen (§ 87 Abs. 4 UrhG), sofern der eingetretene Schaden nicht noch größer ist.
Natürlich kann ein solcher potentieller Urheberrechtsbruch ohne schlechte Absichten oder völlig gutgläubig erfolgen (und in unserem Fall auch ohne kommerzielle Motive). Wenn man dann – wie hier – viel Zeit, Arbeit und vielleicht auch Geld in ein Projekt investiert hat und deshalb auf die Umsetzung (Aufführung) nicht verzichten will, ist man womöglich den Bedingungen der Rechtsinhaber praktisch ausgeliefert. Setzt man das Projekt nämlich ohne Genehmigung um, drohen gerichtliche Schritte, Schadenersatzforderungen und die damit verbundenen (wohl nicht geringen) Rechtsvertretungskosten – und kaum eine Rechtsschutzversicherung deckt urheberrechtliche Angelegenheiten ab.
Noch etwas ist zu bedenken: Noch vor zwanzig Jahren hätte das Konzert wohl ohne viel Federlesens stattgefunden, da der Rechtsinhaber wahrscheinlich nie davon erfahren hätte. Die Bewerbung des Konzerts über das Internet aber macht es für die Rechtsinhaber heute natürlich wesentlich leichter, widerrechtliche Werknutzungen (Aufführungen etc.) zu entdecken und rechtliche Schritte zu unternehmen. Des einen Leid, des andren Freud: Sind Sie nämlich Urheber, erleichtert Ihnen die Recherche im Internet womöglich das Auffinden von Nutzungen Ihrer Werke.
Zum guten Schluß: Es wird natürlich nicht notwendig sein, wegen jeder Bearbeitung zum Rechtsanwalt zu laufen, bei größeren Projekten aber wird eine kurze juristische Prüfung der wichtigsten Punkte nicht schaden – und das möglichst, bevor man die Arbeit in Angriff nimmt.
Stand: November 2018
MS
Nachsatz zur Rechteklärung: Natürlich gibt es auch Fälle, in denen Urheberrechte nicht leicht zu klären sind, wie etwa bei Musikstücken, die in den Datenbanken der Musik-Verwertungsgesellschaften AKM und GEMA nicht auffindbar sind. Selbst eine negative Abfrage solcher Datenbanken gibt keine verläßliche Antwort darauf, ob ein Werk rechtefrei ist oder nicht. Solange der Urheber eines Werkes bekannt ist und dieser noch lebt (oder solange noch keine 70 Jahre nach seinem Tod abgelaufen sind), ist das von ihm geschaffene Werk urheberrechtlich geschützt – egal, ob es bei einer Verwertungsgesellschaft wie der AKM registriert ist oder nicht. Solange die Urheber oder Rechteinhaber aber bekannt sind, sollte man es nicht verabsäumen, sie ausfindig zu machen und vor Beginn eines Projektes zu kontaktieren.