Rechtsschutzversicherung für Corona-Willkür?

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Der Verein für Konsumenteninformation VKI klagte die UNIQA, die in ihren Rechtsschutz-Versicherungsbedingungen die Kostendeckung ausschloß für Fälle, „die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen (stehen), die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind„, mit anderen Worten: kein Versicherungsschutz für Rechtsprobleme aus Covid19-Verordnungen und entsprechenden Gesetzen. Das Handelsgericht Wien erkannte diese Klausel u.a. als intransparent, da nicht erkennbar sei, was von dem sehr weit gefaßten Begriff „in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen“ umfaßt ist und was eine solche „Ausnahmesituation“ sein soll.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Stand 15.12.2020), könnte aber richtungsweisend sein.

Das Urteil im Wortlaut:

                30 Cg 24/20m – 9

REPUBLIK ÖSTERREICH
HANDELSGERICHT WIEN

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Handelsgericht Wien erkennt durch die Richterin Mag. Monika Millet in der Rechtssache des Klägers Verein für Konsumenteninformation, Linke Wienzeile 18, in 1060 Wien, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in 1030 Wien, wider die Beklagte UNIQA Österreich Versicherungen AG, Untere Donaustraße 21, in 1020 Wien, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, wegen Unterlassung nach dem KSchG (Streitwert EUR 30.500,-) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert EUR 5.500,-, Gesamtstreitwert EUR 36.000,-) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

1. Die Beklagte ist schuldig,
a) im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrundelegt und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung der Klausel:
Artikel 7 Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?
1. Sofern nichts anderes vereinbart ist, besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen
1.4 in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind.
oder die Verwendung sinngleicher Klauseln binnen drei Monaten zu unterlassen; sie ist ferner schuldig, es zu unterlassen, sich auf die vorstehend genannte Klausel oder sinngleiche Klauseln zu berufen;
b) dem Kläger die mit EUR 6.359,56 (hierin enthalten EUR 816,76 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu Handen des Klagevertreters zu ersetzen.
2. Dem Kläger wird die Ermächtigung erteilt, den klagsstattgebenden Teil des Urteilsspruches im Umfang des Unterlassungsbegehrens und der Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung binnen sechs Monaten ab Rechtskraft einmal in einer Samstagsausgabe des redaktionellen Teiles der „Kronen-Zeitung“, bundesweit erscheinende Ausgabe, auf Kosten der Beklagten mit gesperrt geschriebenen Prozessparteien und in Fettdruckumrandung in Normallettern, somit in gleich großer Schrift wie der Fließtext redaktioneller Artikel, zu veröffentlichen.

Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrte wie im Spruch ersichtlich und brachte dazu vor, dass die Beklagte durch ihre AGB, die sie den von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde lege, gegen gesetzliche Verbote und gegen die guten Sitten verstoße.

Es handle sich dabei insbesondere um Artikel 7. 1. 1.4 in den „Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung“, welcher besage: „Sofern nichts anderes vereinbart ist, besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind.“

Die Klausel kündige zwar den Ausschluss des Versicherungsschutzes für bestimmte Sachverhalte an, konkretisiere aber nicht, wann ein Sachverhalt in einem „mittelbaren Zusammenhang“ mit einer „hoheitsrechtlichen Anordnung in einer Ausnahmesituation“ stehe und ziehe insoweit keine Schranke. Bei kundenfeindlichster Auslegung genüge jedweder Zusammenhang mit einer hoheitsrechtlichen Anordnung, um den Versicherungsschutz entfallen zu lassen.

Obwohl ein Risikoausschluss nach stRsp zulässig sei, um dem Versicherer eine Risikokalkulation zu ermöglichen und nicht überschaubare und nicht kalkulierbare Teilrisiken aus dem Versicherungsschutz auszunehmen, sei die in der Klausel vorgesehene Ausdehnung des Risikoausschlusses auf bloß „mittelbar“ im Zusammenhang mit einem Ereignis stehende Sachverhalte sachlich nicht gerechtfertigt. Der Risikoausschuss sei nicht adäquat, überspanne seinen Schutzzweck und ermögliche dadurch, durch eine uferlose Ausdehnung des Mittelbarkeitskriteriums, Zweckablehnungen vorzunehmen.

Auch bei Verwendung der Wortfolge „in unmittelbarem Zusammenhang“ sei unklar, ob in einem „unmittelbarem“ Zusammenhang mit einer hoheitsrechtlichen Anordnung nur solche
Ansprüche stünden, die sich gegen den Rechtsträger oder ausführende Organe der hoheitsrechtlichen Anordnung richteten, oder ob auch daraus resultierende Folgeschäden erfasst seien.

Selbst wenn der Begriff „in unmittelbarem Zusammenhang“ als klar zu qualifizieren sei, bleibe die Klausel unwirksam, da im Unterlassungsprozess nach § 28 KSchG keine Rücksicht auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Bedingungen genommen werden dürfe, zumal eine geltungserhaltende Reduktion im Verbandsprozess nicht zulässig sei.

Die Klausel sei daher gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.

Die von der Beklagten zur Wortfolge „unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang“ vorgebrachten Entscheidungen des OGH, seien in diesem Fall nicht einschlägig. Da die Formulierung in der jeweiligen Entscheidung inhaltlich nicht behandelt worden sei, existiere keine höchstgerichtliche Rsp dazu.

Die Klausel sei außerdem intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG, da beim Begriff „hoheitliche Anordnung“ offen bleibe, welche rechtliche Qualität die zum Ausschluss führende hoheitsrechtliche Anordnung haben müsse. Fraglich sei etwa, ob davon nur Gesetze oder auch Akte der Vollziehung erfasst seien, bzw. ob der Risikoausschluss nur aufgrund von hoheitsrechtlichen Anordnungen österreichischer Gesetzgebungsorgane, oder auch aufgrund von ausländischen Hoheitsakten zum Tragen komme.

Das Transparenzgebot sei nur deswegen, weil es sich im vorliegenden Fall um AVB, und nicht um AGB handle, nicht zurückhaltender anzuwenden.

Auch bei dem in der Klausel aufgestellten Kriterium einer „Ausnahmesituation“ mangle es an der nach § 6 Abs 3 KSchG erforderlichen Bestimmtheit, da weder objektive Parameter festlegt seien, die das Vorliegen einer möglichen Ausnahmesituation determinierten, noch sei der Begriff in irgendeiner Gesetzesmaterie legaldefiniert bzw. liege ihm ein im allgemeinen Sprachgebrauch einheitliches Bedeutungsverständnis zugrunde. Im weitesten Wortsinn liege eine Ausnahmesituation schon dann vor, wenn Situationen, seien sie witterungsbedingt, gesellschaftlich, politisch etc, auch nur irgendwie vom Normalzustand abweichen würden.

Selbst wenn man die Begriffe „hoheitliche Anordnung“, „Ausnahmesituation“ und „Personenmehrheit“ im Zusammenhang lese, sei der Sinngehalt der Klausel noch nicht klar, da eine Aneinanderreihung von unbestimmten Begriffen die Klausel nicht transparent bzw. transparenter mache. Weiters hätten Rechtsbegriffe in der Rechtssprache nur dann eine bestimmte Bedeutung, wenn den zu beurteilenden Rechtsinstituten nach herrschender Ansicht ein unstrittiger Inhalt beizumessen sei.

Es bleibe sohin der Willkür des Versicherungsgebers überlassen, die Kriterien und den Zeitpunkt für das Vorliegen einer Ausnahmesituation zu definieren, was zu einem sachlich nicht gerechtfertigten Ermessensspielraum des Versicherers bei der Beurteilung und somit zur Intransparenz der Klausel führe.

Unbeachtlich sei, dass die Klausel seit Jahrzehnten im Geschäftsverkehr verwendet werde, und dass das Bundesministerium für Finanzen die Versicherungsbedingungen der Beklagten seinerzeit „genehmigt“ oder sonst wie freigegeben habe, da zur Prüfung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von AGB Klauseln ausschließlich die ordentlichen Gerichte zuständig seien.

Da die Beklagte die inkriminierte Klausel im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern laufend gebrauche, bestehe Wiederholungsgefahr. Zudem habe der Kläger diese mit eingeschriebenem Brief vom 5. Mai 2020 bereits aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung iSd § 28 Abs 2 KSchG abzugeben, wobei die Beklagte dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen sei.

Die Urteilsveröffentlichung in einer Samstagsausgabe der „Kronen-Zeitung“ werde deswegen beantragt, weil ein berechtigtes Interesse der angesprochenen und betroffenen Verbraucherkreise an der Aufklärung über das gesetzeswidrige Verhalten der Beklagten bestehe, und die wahre Sach- und Rechtslage aufgeklärt und ein Umsichgreifen des gerügten Verhaltens verhindert werden solle. Zudem liege die inkriminierte Klausel einer solch großen Anzahl von Versicherungsverträgen zugrunde, dass die Veröffentlichung in einem bundesweit erscheinenden Medium ein angemessenes Mittel sei, um einen dem Kläger nicht bekannten und nicht überblickbaren Personenkreis davon zu informieren.

Als Leistungsfrist komme ein Zeitraum von drei Monaten in Betracht, da nur die mit einer Änderung von AGB üblicherweise einhergehenden Maßnahmen getroffen werden müssten, und keine Situation vorliege, in der vom OGH ausnahmsweise eine längere Leistungsfrist als zulässig angesehen werde.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und eine Leistungsfrist von sechs Monaten für den Fall, dass dem Klagebegehren (auch nur teilweise) stattgegeben werde. Sie führte im Wesentlichen aus, dass die gegenständliche Klausel weder intransparent noch gröblich benachteiligend, und das Urteilsbegehren zu weit gefasst sei, da der Kläger kein Sach- ­oder Rechtsvorbringen erbracht habe, welches im Urteilsspruch den Klauselinhalt betreffe oder gar dessen Rechtmäßigkeit in Zweifel ziehe. Zudem sei das Veröffentlichungsbegehren vollkommen überschießend.

Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, bestehe nur im Rahmen des Möglichen. Es werde weder gefordert, dass ein komplexer Inhalt nicht Gegenstand von AGB sein dürfe, noch dass eine Klausel der „idealen“ Transparenz entspreche. Vielmehr genüge eine ausreichende Transparenz. Zusätzlich müsse das Transparenzgebot im Hinblick auf AVB zurückhaltender als bei den AGB gehandhabt werden, da diese das Produkt „Versicherungsschutz“ überhaupt erst definierten und es wegen der Besonderheit des Produktes unvermeidbar sei, abstrakte Begriffe, Begriffe der Rechtssprache und Fachtermini zu verwenden.

Die gegenständliche Klausel befinde sich seit vielen Jahrzehnten unbeanstandet im Geschäftsverkehr und die Versicherungsbedingungen seien sogar formell vom Bundesministerium für Finanzen mit Bescheid vom 31. März 1994 genehmigt worden.

Bei der im Verbandsprozess vorgesehenen „ungünstigsten Auslegung“ sei nicht gemeint, dass der Rechtsanwender jegliche Fantasie anwenden dürfe, um eine Auslegung zu finden, die „gerade noch“ möglich sei.

Bezüglich des Risikoausschlusses sei zu beachten, dass die Ausschlussgründe stets den rational nachvollziehbaren Zweck verfolgten, das versicherte Risiko überschaubar und kalkulierbar zu halten. Sie dürften keinesfalls weiter ausgelegt werden, als es ihr Zweck erforderte, wobei sich die Auslegung am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren habe. Da der Zweck eines Risikoausschlusses darin liege, dem Versicherer eine Risikokalkulation zu ermöglichen, diene die gegenständliche Klausel nur dazu, sehr selten eintretende Sachverhalte vom Versicherungsschutz auszunehmen. Würde solch ein Risikoausschluss nicht vorgenommen werden, führte dies ungewollt dazu, dass die Prämien teurer würden.

Da die Worte „hoheitliche Anordnung“ und „Ausnahmesituation“ stets im Zusammenhang zu lesen seien, werde der Begriff der „hoheitlichen Anordnung“ zweifach eingeschränkt. Sie müsse sowohl in einer „Ausnahmesituation“ ergangen sein als auch sich an eine „Personenmehrheit“ richten. Ohnedies lasse das Wort „hoheitliche Anordnung“ wenig Interpretationsspielraum, da dieses aus der Rechtssprache stamme und feststehe, dass Rechtsbegriffe, die in der Rechtssprache eine bestimmte Bedeutung hätten, im Sinne dieser Bedeutung auszulegen seien. Unabhängig davon liege allein deswegen keine Intransparenz vor, weil Art. 4 der ARB ausführlich den örtlichen Geltungsbereich des Rechtsschutzes regle.

Selbst wenn die Begriffe „Ausnahmesituation“ und „Personenmehrheit“ auch nicht losgelöst voneinander betrachtet werden dürften, hätten diese ebenfalls einen klaren Begriffskern, weshalb ein durchschnittlicher Konsument wisse, was darunter zu verstehen sei. Zudem finde sich sogar eine Legaldefinition des Wortes „Ausnahmesituation“ in § 2 Abs 11 BHygG, weshalb sich der Konsument, wenn er das Wort beim Lesen der ARB noch nicht deuten könnte, durch diese gesetzlich Definition Klarheit verschaffen könne. Da der OGH bereits den Begriff „mehrere Versicherungsnehmer“ als nicht intransparent gewertet habe, müsse dies gleichermaßen für das Wort „Personenmehrheit“ gelten.

Obwohl die Begriffe „unmittelbar“ und „mittelbar“ ohnehin keine Zweifel aufwerfen könnten, sei anzumerken, dass ein Konsument das Wort „mittelbar“ als Adäquanz und Bedingungszusammenhang verstehe, und demnach keine gröbliche Benachteiligung vorliege. Zudem seien durch die Verwendung dieser beiden Worte zwei voneinander unabhängige Klauseln geschaffen worden, weshalb für beide Unterfälle die Wirksamkeit und Transparenz separat zu prüfen sei. Bei Betrachtung des gesamten Satzgefüges müsse dem Konsumenten klar sein, dass ein möglichst umfassender Ausschluss von Sachverhalten gemeint sei, weshalb das in der Klage beanstandete „Nichterkennen einer Deckungslücke“ hier gerade nicht eintreten könne. Schließlich sei die Wortfolge „in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang“ bereits Gegenstand in zwei Entscheidungen des OGH gewesen, und in beiden als zulässig erachtet worden.

Dem hier gegenständliche Risikoausschluss liege die Überlegung zugrunde, dass Streitigkeiten im Zusammenhang mit hoheitlichen Anordnungen aufgrund einer Ausnahmesituation, wie etwa einer Pandemie (COVID 19), nicht kalkulierbar seien.

Abgesehen davon, dass die Klausel sachlich gerechtfertigt und das Klagebegehren unberechtigt sei, enthalte dieses keine Leistungsfrist. Diese sei gemäß § 409 Abs 2 ZPO angemessen zu bestimmen und einzelfallbezogen zu beurteilen. In Implementierung in der IT-Infrastruktur im Zusammenhang mit dem Abschluss von Neuverträgen mindestens sechs Monate. Eine Leistungsfrist in diesem Umfang sowohl für die Unterlassung als auch die Berufung auf diese Klausel sei angemessen.

Der Kläger entgegnete, dass eine Leistungsfrist von drei Monaten nach der Rspr angemessen sei, für das Sich-Berufen auf die gegenständliche Klausel sei keine Leistungsfrist festzusetzen.

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Urkunden Beilagen ./A bis ./D und ./1 bis ./6.

Feststellungen:
Der Kläger ist ein gemäß § 29 KSCHG klageberechtigter Verein.

Die Beklagte ist eine zu FN 63197m im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien protokollierte AG, die das Versicherungsgeschäft betreibt, ihre Leistungen im gesamten österreichischen Bundesgebiet anbietet und als eines der größten österreichischen Versicherungsunternehmen gilt (Blg./C).

Sie verwendet im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern Allgemeine Geschäftsbedingungen, die sie den von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legt, und/oder im Vertragsformblättern die nachstehend genannten Klauseln  (unstrittig):

„Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung, ARB 2019 Artikel 7.         Was ist vom Versicherungsschutzausgeschlossen?
Pkt 1. Sofern nichts anderes vereinbart ist, besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen
1.4. in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind“ (B1g./1).“

Derartige Klauseln waren bereit in den ARB 2019 und den ARB 2011 (Blg./A) sowie den ARB 1999 (Blg./2) enthalten. Auch Vorgängergesellschaften der Beklagten, wie die Austria Kollegialität oder die Salzburger Landesversicherung, verwendeten in ihren ARB eine wortgleiche Klausel (Blg./3 und ./4). Die ARB der Austria Kollegialität wurden mit Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen vom 31. März 1994, GZ 9 000432/12-V/12/93, genehmigt (B1g./3).

Mit Schreiben vom 5. Mai 2020 mahnte der Kläger die Beklagte ab, diese gab die geforderte Unterlassungserklärung nicht ab (B1g./B).

In Artikel 4 der gegenständlichen ARB wird der örtliche Geltungsbereich festgelegt (B1g./A).

Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt war teilweise unstrittig bzw gründen sich die Feststellungen auf die unbedenklichen, teilweise bereits in Klammer angeführten Urkunden.

Von der Einvernahme des Zeugen Mag. ……. wurde abgesehen. Das Beweisthema für seine Einvernahme, die Dauer der Implementierung von neuen Klauseln (im Hinblick auf die Leistungsfrist), stellt eine Rechtsfrage dar, die anhand der Judikatur zu lösen war.

Rechtlich folgt:
Der Kläger ist gemäß § 29 KSchG aktiv klagslegitimiert.

Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der Hauptleistungen betrifft, ist nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt.

Die Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen, wobei diese im kundenfeindlichsten Sinn vorzunehmen ist (RS0016590), erfolgt nach stRsp nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung gemäß §§ 914 f ABGB. Als Maßstab ist somit der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer heranzuziehen (RS0050063 [T71]). Ergeben sich bei der Auslegung Unklarheiten, gehen diese zu Laste der Partei, von der die diesbezüglichen Formulierungen stammen (RS0050063 [T3]).

Das versicherte Risiko kann durch einen Risikoausschluss im Sinne einer Ausnahme von einem nicht überschaubaren und kalkulierbaren Teilrisiko begrenzt werden, um eine sichere Kalkulation der Prämie zu ermöglichen. Somit kann ein bestimmter, überschaubarer, eingrenzbarer und im Grunde erheblicher und typischerweise immer wiederkehrender Lebenssachverhalt vom Versicherungsschutz ausgenommen werden. Die Auslegung des Risikoausschlusses darf nicht weiter erfolgen, als es dessen Sinn erfordert (7 Ob 75/18g).

Die Wortfolge „in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit einer hoheitsrechtlichen Anordnung“ kann von einem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer nur so interpretiert werden, dass jegliche Zusammenhänge mit einer hoheitsrechtlichen Anordnung davon erfasst sind. Legt man jedoch die bisherige Rsp auf den vorliegenden Fall um, darf nicht jeder noch so ferne Zusammenhang mit einer hoheitsrechtlichen Anordnung für einen Risikoausschluss ausreichend sein. Vielmehr muss zwischen der hoheitsrechtlichen Anordnung und den rechtlichen Interessen, die durch die Versicherung gedeckt sein sollten, ein ursächlicher Zusammenhang iSd conditio-sine-qua-non-Formel bestehen (vgl 7 Ob 75/18g). Da den Begriffen „in unmittelbarem und mittelbarem Zusammenhang“ keine restriktivere Interpretation beigelegt werden kann, als dass sämtliche Zusammenhänge mit hoheitsrechtlichen Anordnungen erfasst sind, führt die Klausel zu einer unangemessen weiten Lücke des Versicherungsschutzes.

Auch die von der Beklagten zitierten Entscheidungen des OGH (7 Ob 243/08y – Definition des Wortes „Katastrophe“ – und 7 Ob 202/98a – „Verstoßbegriff“) sprechen nicht für eine Zulässigkeit der Klausel, da die rechtliche Qualifikation der Wortfolge „in unmittelbarem und mittelbarem Zusammenhang“ nicht Gegenstand des jeweiligen Verfahrens war.

Die Klausel ist daher gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.

Da die Kombination der Begriffe „unmittelbar“ und „mittelbar“ den Zweck hat, einen umfassenden Ausschluss von Sachverhalten aus dem versicherten Risiko zu schaffen, handelt es sich nicht um zwei voneinander unabhängige Regelungsbereiche, sondern um eine einheitliche Klausel. Somit darf auch eine isolierte Betrachtung aufgrund des Verbots einer geltungserhaltenden Reduktion nicht erfolgen (4 Ob 229/13z).

Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Klausel ist auch dann unwirksam, wenn sie gemäß § 6 Abs 3 KSchG unklar und unverständlich, also intransparent abgefasst ist. Der für das jeweilige Geschäft typische Durchschnittskunde muss den Inhalt und die Tragweite der Klausel durchschauen können.

Welche genaue Bedeutung die Wortfolge „mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind“ hat, ist aus Sicht eines typischen, durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers unklar. Einem durchschnittlichen Verbraucher wird idR nicht klar sein, ob nur Akte der Gesetzgebung, oder auch Akte der Vollziehung davon umfasst sind. Demnach ist nicht ersichtlich, ob damit nur Gesetze, oder auch Verordnungen und Richtlinien, Bescheide, Erläuterungen, Erlässe etc. gemeint sind. Unklar ist weiters, ob auch Empfehlungen der Regierung (wie etwa eine Empfehlung des Außenministeriums, auf nicht notwendige Auslandsreisen zu verzichten) oder individuelle Bescheide, die bekanntermaßen auch eine Personenmehrheit betreffen können (etwa ein Bescheid, mit dem über eine Betriebsschließung verfügt wird), erfasst sind.

Auch unklar ist, ob davon nur hoheitsrechtliche Anordnungen von österreichischen Behörden, oder auch jene von ausländischen erfasst sind. Eine Aufklärung schafft auch Art 4 der ARB 2019 nicht, da dieser lediglich den örtlichen Geltungsbereich definiert. Er trifft keine Aussage darüber, ob hoheitsrechtliche Anordnungen eines anderen Staates, und allenfalls welchen Staates, zu einem Risikoausschluss führen.

Auch das Wort „Ausnahmesituation“ kann nicht eindeutig ausgelegt werden. Im Duden wird der Begriff als „außergewöhnliche, unübliche, eine Ausnahme darstellende Situation“ bezeichnet (duden.at). Dem kann kein im allgemeinen Sprachgebrauch einheitliches Bedeutungsverständnis beigemessen werden. Abgesehen vom allgemeinen Sprachgebrauch legt auch die Klausel keine objektiven Parameter fest, nach denen das Vorliegen einer Ausnahmesituation determiniert wird. Da im weitesten Sinne des Wortes, bei kundenfeindlichster Auslegung, jede Abweichung vom Normalzustand betroffen wäre, bleibt es im Einzelfall der Beklagten überlassen, den Begriff des Ausnahmezustandes zu definieren.

Selbst wenn man die Begriffe „hoheitsrechtliche Anordnung in einer Ausnahmesituation, die an eine Personenmehrheit gerichtet ist“ im Zusammenhang liest, kommt man zu keiner eindeutigen Interpretation, da die Begriffe „hoheitliche Anordnung“ und „Ausnahmesituation“ für sich genommen zu unbestimmt sind.

Da sich die von der Beklagten vorgebrachte „Legaldefinition“ einer „Ausnahmesituation“ in § 2a Abs 11 BHygG lediglich auf eine Ausnahmesituation in Bezug auf die Qualität eines Badegewässers bezieht, kann diese für den vorliegenden Fall nicht herangezogen werden. Überdies kann von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht verlangt werden, das BHygG zu lesen, um die seinem Versicherungsvertrag zugrunde gelegten Klauseln zu verstehen.

Dass die ARB 1994 der Austria Kollegialität vom Bundesministerium für Finanzen genehmigt wurde, ist für den vorliegenden Fall unbeachtlich, da die Kontrolle der Übereinstimmung der AGB mit den Regelungen des § 879 Abs 3 ABGB sowie § 6 Abs 3 KSchG jedenfalls den ordentlichen Gerichten obliegt. Auch die Tatsache, dass die Klausel seit Jahrzehnten in Verwendung ist, sagt nichts über ihre Zulässigkeit aus.

Die Klausel ist daher intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG sowie gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.

Die Wiederholungsgefahr ist gegeben, weil die Beklagte nach durchgeführter Abmahnung die ihr vorgelegte Unterlassungserklärung gemäß § 28 Abs 2 KSchG nicht unterzeichnet hat.

Der Zuspruch einer Urteilsveröffentlichung darf nach § 30 KSchG iVm § 25 Abs 3 UWG bei berechtigtem Interesse innerhalb einer bestimmten Frist auf Kosten des Gegners erfolgen. Im vorliegenden Fall ist eine Urteilsveröffentlichung gerechtfertigt, weil die Versicherungsnehmer als Gesamtheit das Recht haben, über die Gesetzes- und Sittenwidrigkeit der gegenständlichen ARB-Klauseln aufgeklärt zu werden. Dadurch wird auch ihre Aufmerksamkeit für generell unzulässige Vertragsbestandteile geschärft. Da die Beklagte zu den größten Versicherungsunternehmen Österreichs zählt und somit mit ihren Versicherungsverträgen eine umfassende Anzahl an Versicherungsnehmern erreicht, ist eine Veröffentlichung innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft in der „Kronen Zeitung“, bundesweit erscheinende Ausgabe, jedenfalls angemessen (vgl 7 Ob 53/14s).

Gemäß § 409 Abs 2 ZPO hat das Gericht eine angemessene Frist für die Abänderung unzulässiger AGB-Klauseln festzusetzen. Für die Abänderung der gegenständlichen Klausel wird der Beklagten eine Leistungsfrist von drei Monaten gewährt, weil dies nach Rsp des OGH in Fällen wie diesen als angemessen gilt (1 Ob 88/14v). Die Beklagte brachte auch keine relevanten Umstände vor, die eine längere Leistungsfrist rechtfertigen würden.

Da es den Zweck einer Verbandsklage unterlaufen würde, wenn sich der Unternehmer, nachdem die von ihm verwendeten Klauseln für unzulässig erklärt wurden, weiterhin auf diese berufen dürfte, darf keine Leistungsfrist für die Unterlassung der Berufung auf unzulässige Klauseln festgesetzt werden. Zu beachten ist dabei auch, dass es sich beim Unterlassen einer weiteren Berufung auf seine AGB um eine „reine Unterlassung“ handelt. Eine Vorbereitungszeit ist somit nicht notwendig (6 Ob 235/15z).

Der Urteilsspruch war um die Leistungsfrist von drei Monaten für die Abänderung der Klauseln zu ergänzen und hält sich im Rahmen des Begehrens des Klägers.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1 ZPO.

Handelsgericht, Abteilung 30 Wien,
07. November 2020