Je älter ein Gesetz ist, desto sicherer kann man sein, daß sich die Verfasser etwas dabei gedacht haben. Das Versammlungsgesetz 1953 ist ein solches Gesetz.
Die diversen Covidl-Verordnungen hingegen verraten Ansätze fortschreitender Gehirnerweichung und verleiten zur Frage, was sich die Herrschaften dabei gedacht haben.
Im Detail: Das Versammlungsgesetz verbietet, sich unkenntlich zu machen.
Etliche Covid-Verordnungen verlangen, daß man sich bei Versammlungen unkenntlich macht – mit einer FFP2-Staubschutzmaske.
Außerdem: Die Covidl-Verordnungen sind Sache des Sozialministers, die Versammlungspolizei hingegen Kompetenz des Innenministers. Ist es zulässig, daß der eine dem andren am Zeug flickt, sprich: in fremde Kompetenzen eingreift?
Widersprüche, mit denen man den Polizisten an Ort und Stelle (Auftrag: Strafen!) natürlich allein läßt. Die nachfolgenden Instanzen – Magistrat/Bezirkshauptmannschaft, Landesverwaltungsgericht – bringen es natürlich auch nicht fertig, den Balken im Auge zu sehen: „Soweit die Beschwerde die Gesetzwidrigkeit der anzuwenden Verordnung bzw. dieser Verordnung zu Grunde liegenden Gesetze behauptet, ist auszuführen, daß das erkennende Gericht keine Bedenken gegen die Verfassunsgmäßigkeit der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Bestimmungen erkennen kann.“ Daß man einen Widerspruch „nicht erkennen kann“ kann natürlich bedeuten: Entweder der Widerspruch ist nicht da, oder er ist da, aber man schaut nicht hin. So geschehen z.B. vor dem Landesverwaltungsgericht Kärnten.
Was macht nun der brave Staatsbürger, wenn eine bloße Verordnung einem höherrangigen Gesetz widerspricht? Er ruft den Verfassungsgerichtshof an, dafür ist er ja da. Und was macht diese Institution, die ursprünglich einmal dazu gedacht war, die Verfassungsmäßigkeit des politischen Handelns zu überwachen? Er weist den Antrag mangels Erfolgsaussichten (!) ab. Ende der Begründung. Und kassiert für diesen Ulk € 240,– an Eingabegebühr, ohne dabei rot zu werden.
In einer Podiumsdiskussion verkündete VfGH-Präsident Dr. Grabenwarter jüngst stolz, daß die durchschnittliche Verfahrensdauer vor dem VfGH nur etwa zwei bis vier Monate betrage. Kunststück, wenn man sich einer Beschwerde mit einem Textbaustein, ohne jede Begründung, in fünf Minuten entledigen kann.
Übrigens: Richtkanonier Lauterbach meinte kürzlich bei Markus Lanz in seinem unvergleichlichen Duktus nebenbei zur Frage falscher Maßnahmen: „Ach, das kann man sehr schwer sagen… ]…] wir haben Masken draußen getragen, wo es so gut wie nicht notwendig war… Es ist also in einigen Plätzen übers Ziel hinausgeschossen worden…“. Ah, da schau her! Aber keine Angst – „offiziell“ wird diese Erkenntnis schon nicht werden.
Wenn Sie nun Bedenken betreffend die Verfassungsmäßigkeit von Covid-Verordnungen haben, dann verzichten Sie auf eine Beschwerde und überweisen Sie dem VfGH € 240,– als Spende. So läuft er nicht Gefahr, sich beim ostentativen Wegschauen den Hals zu brechen.
Die anonymisierte Erledigung des VfGH finden Sie hier. (Hinweis: Von einer „Erledigung des VfGH“ zu sprechen, ist juristisch korrektes Amtsdeutsch und nicht als Doppeldeutigkeit gedacht – auch wenn sich der VfGH mit solchen „Erledigungen“ selbst erledigt…)
MS
Stand: 01.07.2022