Trotz des Datums liegt in folgender Darstellung kein Faschingsscherz, vielmehr bietet sich ein tiefer Blick in die österreichische Justiz, die sich als Handlanger einer überforderten politischen Führung andient.
In den beiden Entscheidungen 5 Ob 105/16a (25.08.2016) und 5 Ob 117/16s (11.07.2016) hatte sich derselbe Senat des OGH mit Fragen zur Widmungsänderungen im Wohnungseigentumsrecht zu befassen (§ 16 Abs. 2 WEG). Verkürzt ausgedrückt können sich nämlich Miteigentümer nach dem WEG zur Wehr setzen, wenn Teile ihrer Wohnungseigentumsanlage von der Nutzung her umgewidmet oder widmungswidrig genutzt werden.
Die jüngere der beiden Entscheidungen werden viele ohne Vorbehalte nachvollziehen können: Wenn eine Bar nämlich in ein Prostitutionslokal umgewandelt wird, gilt das als genehmigungspflichtige Widmungsänderung, die untersagt werden kann.
Wenn hingegen ein früherer Geschäftsraum ohne viel Federlesens plötzlich an ein Bundesland als
Flüchtlingsunterkunft vermietet wird, ist das aus Sicht der Justiz
keine genehmigungsbedürftige Widmungsänderung. Während nun in letzter Zeit kaum sensationelle Straftaten aus dem Prostitutionsmilieu in die Schlagzeilen geraten sind, sind (zum Teil schwere)
Straftaten durch Immigranten keine Seltenheit – auch wenn nur ein Teil davon in den Medien gemeldet wird. So fragt sich zu Recht, wen man lieber in seiner Nachbarschaft haben will.
In Sachen Prostitution bleiben die Gerichte bei der bisherigen restriktiven Judikaturlinie des OGH. Bei Immigranten allerdings haben die Gerichte ein weiches Herz. Während der OGH nämlich im Falle einer intimen Bar noch Bedenken hatte, da hier „Rechte und rechtlich geschützte Interessen sowohl der [Miteigentümer-]Gemeinschaft als auch jedes einzelnen Mit- und Wohnungseigentümers berührt werden können“, war dies bei einer plötzlichen Unterbringung von bis zu 40 Immigranten (hier: Flüchtlinge) in einem Geschäftslokal hingegen nicht von Belang.
Frühere OGH-Entscheidungen erkannten als Sinn der Rechtslage, daß „die anderen Wohnungseigentümer davor geschützt werden (sollen), daß durch Widmungsänderungen ihr Umfeld eigenmächtig unter Verletzung ihrer schutzwürdigen Interessen geändert wird“. Dies spielte im Zuge des politisch grob fahrlässig herbeigeführten Einwanderungsnotstandes aber nunmehr keine Rolle. Vielmehr befand der OGH, daß sich die Miteigentümer schon bei Wohnungseigentumsbegründung „grundsätzlich mit jeder Art der Verwendung des Geschäftslokals einverstanden erklärt“ hätten; außerdem sei die vermietete Fläche als „Geschäft“ gewidmet, und „so hält sich die Verwendung zur – regelmäßig unternehmerisch praktizierten – Unterbringung von Flüchtlingen im Rahmen der – unspezifischen – Geschäftsraumwidmung“. Solange also eine solche Vermietung also unternehmerisch betrieben wird (schließlich ist ja die Flüchtlingsversorgung ein großes, steuerfinanziertes Geschäft), verstößt eine Nutzung eines Geschäftsraumes zu Beherbergungszwecken nicht gegen die ursprüngliche Widmung. (Überhaupt: ist nicht gerade auch die Prostitution schlechthin gewerblich?) Hier werden Gesetzes- und Vertragsbestimmungen gedehnt, die nicht dehnbar sind.
Sehr elaboriert führt der OGH in seiner „Flüchtlings-Entscheidung“ juristische Details zum WEG aus; die eigentlichen Beweg- und Entscheidungsgründe für das völlig unverständliche Abgehen von der bisherigen Linie wurden in dieser Sache aber schon zuvor vom Berufungsgericht ventiliert:
„Am 1. 10. 2015 sei dann das Bundesverfassungsgesetz über die Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden, BGBl I 2015/120, in Kraft getreten, wonach die Unterbringung hilfs- und schutzbedürftiger Fremder auch eine Aufgabe der Länder und der Gemeinden sei. Der Gesetzgeber habe durch Schaffung eines Gemeinderichtwerts von 1,5 % der Wohnbevölkerung eine gleichmäßige Verteilung im Bundesgebiet angestrebt, womit die Verwendung von Wohnraum in einer Gemeinde als Unterkunft für hilfs- und schutzbedürftige Fremde ebenso verkehrsüblich sei wie die Zurverfügungstellung von Wohnungseigentumsobjekten durch Private, um Gemeinden die Erfüllung der ihnen auferlegten Verpflichtung zu ermöglichen. Die Verkehrsüblichkeit einer derartigen Verwendung eines Wohnungseigentumsobjekts könne aber auch unter Berücksichtigung der aktuellen Flüchtlingssituation und des offenkundigen Bedarfs an Wohnraum für hilfs- und schutzbedürftige Menschen nicht fraglich sein. Die mit der Nutzung durch Menschen verschiedenster Nationalitäten [dies waren jedoch zahlende Saisongäste, Anm.] verbundene langjährige Verwendung des Wohnungseigentumsobjekts als Hotel‑ und Gastgewerbebetrieb ließe sich mit einer derartigen Einschränkung auch nicht vereinbaren. […] Die Verwendung des Wohnungseigentumsobjekts des Beklagten für die Unterbringung von Flüchtlingen im Weg der Vermietung liege somit innerhalb der unspezifischen vertraglichen Widmung des Objekts als „Geschäft“ und sei auch verkehrsüblich.„
Mit anderen Worten: Wenn es die politische Situation verlangt, darf man Gesetz und vertragliche Vereinbarungen auch einmal anders, nämlich etwas weiter und großzügiger auslegen; „situationselastische Judikatur“, möchte man sagen.
Die Verkehrsüblichkeit, heißt es im Rechtssatz RS0119528, ist eine Frage des Einzelfalls. Und im Einzelfall ist der OGH manchmal nicht päpstlicher als der Papst.
Fragt sich natürlich, wie der OGH entscheiden wird, wenn wir dereinst einmal Tausende hilfs- und schutzbedürftige Prostituierte unterbringen müssen?
MS