Alles hat zwei Seiten – auch eine Stützmauer.
Das ABGB schützt den Grundeigentümer davor, daß sein Grundstück wegen Geländeveränderungen am Nachbarsgrund Schaden leidet, z.B. durch Abrutschen von Erdreich. Es kommt durchaus vor, daß im abschüssigen Gelände Baggerarbeiten durchgeführt werden, um ein Grundstück einzuebnen. Dabei sind jedoch zwingend schädliche Wirkungen auf das benachbarte Grundstück zu vermeiden.
§ 364b ABGB: „Ein Grundstück darf nicht in der Weise vertieft werden, daß der Boden oder das Gebäude des Nachbars die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, daß der Besitzer des Grundstückes für eine genügende anderweitige Befestigung Vorsorge trifft.“
Der Nachbar, der sein Grundstück vertieft, hat also z.B. eine Stützmauer zu errichten, damit das höher liegende Nachbargrundstück nicht abrutscht. Diese Verpflichtung gilt unabhängig davon, ob die Erdarbeiten (z.B. baurechtlich) genehmigt sind. Dies ist die eine Seite.
Die andere Seite – wie eine neue OGH-Entscheidung (4 Ob 257/16x) zeigt – im Nachbarrecht ist es, wenn eine solche Stütz- oder Grenzmauer durch Erddruck vom Nachbargrund Schaden nimmt.
§ 364 Absatz 2: „Der Eigentümer eines Grundstückes kann dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig.“ Aufgeschüttetes Erdreich am Nachbargrund ist als sogenannte „unmittelbare Zuleitung“ zu werten.
„Unmittelbare Zuleitung“ ist in vielen Fällen des Nachbarrechts Regenwasser oder Rauch – es kann sich aber eben auch um Erddruck handeln, wie im Anlaßfall, wo aufgeschüttete Erde entsprechenden Druck auf eine Grenzmauer bewirkte; daß sich eine Mauer bei entsprechender Belastung neigen oder gar umstürzen kann, stellt nicht nur eine Beschädigung dar, sondern auch eine Gefahrenquelle. Der Belastungsdruck durch neu aufgeschüttetes Erdreich an einer Grenzmauer ist also als unzulässige unmittelbare Zuleitung anzusehen, wenn kein entsprechender Rechtstitel (z.B. eine Genehmigung des betroffenen Nachbarn) vorliegt. Der Eigentümer der Grenz- oder Stützmauer hat gegenüber dem Nachbarn einen Unterlassungsanspruch und einen Anspruch auf Beseitigung.
Stand: 14.03.2017
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